Geborgenheit in einer Familie, Beheimatung, ein Ort, wo man sich zugehörig weiss, angenommen ist ohne Vorbehalte, das zählt zu den tiefsten Sehnsüchten wohl jedes Menschen. Intakte Familien – und dazu gehören sehr wohl auch Spannungen und Konflikte, Höhen und Tiefen, Freuden und Schmerzen, beglückend Schönes und auch manche Verwundungen – sind das Fundament jeder Gesellschaft.
In der Familie dürfen Kinder Zuwendung atmen und sicheres Geborgen-Sein. Hier lernen junge Menschen eigene Wege zu gehen in der Sicherheit: ich bin getragen. Hier ist der Weg, wo Menschen sich neu finden und lieben und neue Beziehungen erfahren. Hier ist ein Ort des Lebens bis zuletzt, wo ich schwach sein darf, wenn ich nicht mehr selbst gehen kann. Hier ist eine Zelle von Leben und Liebe.
Mit der realen Situation der Familien weltweit haben sich in den vergangenen zwei Wochen 190 Bischöfe aus aller Welt bei der Familiensynode in Rom auseinandergesetzt. Schon im Vorfeld hatte es überrascht, dass mit einer Umfrage in allen Diözesen der Welt die Lebenssituation der Familien erhoben wurde.
Beobachter und Zwischenberichte sprachen von einem „pastoralen Erdbeben“, das sich hier abzeichnet. Große Offenheit wurde der Synode bescheinigt, man nahm sich kein Blatt vor den Mund, heikle Themen wurden klar angesprochen: Ehen ohne Trauschein, Zusammenleben auf Probe, die Situationen von Alleinerziehenden, Geschiedenen, von Familien, die durch Armut, Krieg oder Migration belastet sind. Die Kirche muss den Problemen, dem Scheitern und der Brüchigkeit von Ehe und Familie Rechnung tragen, hieß es in Berichten. Und: es sei nicht klug, nur an jeweils einzige Lösungen zu denken, oder sich von einer Logik des „Alles oder Nichts“ inspirieren zu lassen. Da wurde über die Stärkung der Ortskirchen bei den dringenden pastoralen Fragen gesprochen. Man überlegte, wie die Kirche gerade auch jenen nahe sein kann, die Brüche und Verletzungen erfahren haben.
Auch wenn dem heute erscheinende Schlussdokument der Bischofssynode nur ein beratender Charakter zukommt für die Synode, die in einem Jahr stattfinden wird, so enthält es doch wichtige Orientierungen. Ganz zentral erscheint mir der neue Leitungsstil des Dialogs, der Glaubenserfahrungen auf möglichst vielen Ebenen hört, ernst nimmt und bedenkt. Eine Synode ist eben mehr als nur ein bloßes Diskussionsforum, auf dem Meinungskämpfe ausgetragen werden. Sie ist vor allem ein spiritueller Prozess, der offen ist für den Geist Gottes, offen für die Wahrnehmung von Schönem und von Verwundungen, offen auch für Überraschendes. Grundorientierung bleibt das Beispiel Jesu, der kein Gesetzbuch geschrieben, sondern Wege zum Leben gezeigt hat: Damit wir das Leben haben und Freude.
Benno Elbs, Diözesanbischof