Diese Frage stellte mir kürzlich ein junger Mann bei einem Treffen mit Studierenden verschiedenster Studienrichtungen in Innsbruck. Ja, Gott wirft auch für mich tausend Fragen auf. Er ist ein unendlich großes Geheimnis. Sich diesem Mysterium zu nähern, ist eine manchmal wunderbare und dann wieder herausfordernde Lebensaufgabe.
Der Dreifaltigkeitssonntag, den wir an diesem Sonntag feiern, wurde im Mittelalter eingeführt, um etwas zum Ausdruck zu bringen, was zum innersten Wesen Gottes gehört: Alles Lebendige steht in Beziehung zueinander. Darum ist auch das Wesen Gottes Begegnung und Beziehung. Als Christinnen und Christen sind wir getauft auf den Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Im Gebet und in der Meditation darüber, sind mir drei „Dimensionen“ Gottes (theologisch: „ein Gott in drei Personen“) besonders wichtig.
Wenn wir Gott den Schöpfer der Welt nennen, so ist das keine naturwissenschaftliche Aussage über die Entstehung und Entwicklung der Erde. Es bedeutet viel mehr, dass alles in der Welt und im Leben einen Sinn hat. Alles entspringt einer tiefen Sinnquelle, die wir Gott nennen. Er ist die Basis allen Seins, der Schöpfer. Dazu gehört auch die liebende Fürsorge für uns Menschen. Darum ist sein Name: Ich bin der ich bin da. Alles ist Geschenk. Jede Ordnung im Kosmos, bis hinein in die kleinsten Vorgänge von Natur und Schöpfung, entspringen letztendlich der Liebe, dem Wunsch, dass es Leben gibt.
In Goethes Faust wird die Frage gestellt, was die Welt im Innersten zusammenhält. Das schöpferische Prinzip, nach dem Goethe suchte, ist aus meiner Sicht die Liebe. Alles, was nicht aus dieser Liebe getan, gedacht und gefragt wird, ist zerstörerisch, vernichtet, tötet. Auch das erleben wir leider täglich im wachsamen Blick in die Welt.
Das Leben Jesu ist ein zweiter Begegnungspunkt mit dem Geheimnis Gottes. Es lässt erahnen, wie Gott ist: Jesus heilt die Wunden von Menschen und wärmt ihre Herzen. Er richtet Menschen auf, die traurig sind, die einsam sind und krank, die an den Rand gedrängt werden. Er richtet die auf, auf die niemand schaut, auf die niemand achtet, die keine Lobby haben. Ihnen sagt er zu: Du stehst in der Mitte der Aufmerksamkeit Gottes. Gott geht alle unsere Wege mit, die guten Wege von Freude und Hoffnung, aber auch die Kreuzwege unseres Lebens. Und der Blick auf Jesus zeigt uns, dass Tod und Vernichtung nicht das letzte Wort haben, sondern dass es Auferstehung gibt, dass unser Leben getragen ist in Gott.
Heiliger Geist
Gott in uns als leise Stimme der Wahrheit mitten im Stimmengewirr der Möglichkeiten dieser Welt, das ist der Heilige Geist. Er ist Orientierung für die kleinen und großen Entscheidungen unseres Lebens. Er ist wie ein Kompass, der uns hilft, den guten Weg zu finden. Er ist der Lebensatem in uns. „Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt“, fragt der Apostel Paulus (1 Kor 3,16). Gott wirkt durch uns auch heute in jedem Augenblick des Lebens und der Welt.
Ja, das etwas sperrige Fest des Dreifaltigkeitssonntags führt uns näher an dieses große Geheimnis Gottes heran und bringt uns mit ihm in Berührung. Und jedes Mal, wenn wir im Laufe des Tages ein Kreuzzeichen machen, drücken wir damit aus, was der geistliche Schriftsteller Andreas Knapp lyrisch verdichtet:
Du bist der Gott,
durch den die Welt besteht.
Du bist der Gott,
der uns zur Seite geht.
Du bist der Gott,
der in uns feurig weht.
Wir nennen dich Vater,
denn du bist der Ursprung unserer Welt
und mütterlich schenkst du dazu,
was in uns das Leben erhält.
Wir hören dich, Christus, so nah
als das Wort, das uns tief anspricht.
Durch dich ist für uns Gott ganz da
und zeigt uns als Freund sein Gesicht.
Wir spüren dich, Heiliger Geist,
der in uns die Herzen erhellt
und uns aus Verschlossenheit reißt
zum Handeln für unsere Welt.
Diesen Sonntag stehen wir staunend vor dem großen Geheimnis unseres Gottes.
Bischof Benno Elbs