von Veronika Fehle
Herr Bischof, 2005 hat Altbischof Elmar Fischer die Diözese Feldkirch Maria geweiht. 13 Jahre später erneuern Sie diese Weihe. Was sind Ihre Gründe dafür?
Bischof Benno Elbs: Marienweihen haben eine große Tradition. Papst Johannes Paul II. hat 1983 Österreich Maria geweiht. Bei der Jubiläumsfeier anlässlich 100 Jahre Fatima im vergangenen Jahr haben die österreichischen Bischöfe dieses Weiheversprechen in Mariazell erneuert. Dahinter steht eine Erfahrung, die Christinnen und Christen seit jeher gemacht haben: Nämlich, dass sie sich Maria anvertrauen und sich in ihren Schutz stellen können. So wurde Maria zur Patronin vieler Kirchen, und nicht wenige Orte und Gemeinden tragen die Mutter Jesu in ihrem Namen. Wenn wir die Diözese Feldkirch Maria weihen, soll darin zum Ausdruck kommen: Maria ist für die Kirche in Vorarlberg Vorbild und Kompassnadel, die unablässig auf Christus zeigt. Für manche klingt das vielleicht zu „fromm“, ich bin aber überzeugt: Mit Maria wächst die Beziehung zu Christus.
Maria ist Fürsprecherin, Frau, Mutter, „Sitz der Weisheit“… Wie sieht Ihr ganz persönliches Marienbild aus?
Bischof Benno: Ich finde mich in allen diesen Attributen wieder. Für mich persönlich ist Maria gelebtes Evangelium. Damit stärkt sie mich immer wieder in meinem Leben und Glaubensweg. Sie erinnert mich auch oft daran, dass Christus an erster Stelle steht. Maria hat Ja zum Plan Gottes gesagt - ohne zu wissen, was auf sie zukommt und wie es ausgehen wird. Aber sie hat auf Gott vertraut und Ja gesagt - diese zwei Dinge sind für mich Ankerpunkte im Leben Marias.
Braucht der moderne Mensch den Schutz und Zuspruch einer Mutter noch?
Bischof Benno: Ich glaube, dass das Mütterliche in unserer Welt sehr wichtig ist - mit allem, was damit gemeint ist: Geborgenheit, Annahme, Trost, dasein, begleiten. Papst Franziskus spricht in seiner Enzyklika „Laudato si‘“ von „unserer Mutter Erde“ (Nr. 1 und 92). Gerade in diesen heißen Sommertagen spüren wir, dass diese Mutter Erde leidet: durch den Klimawandel, durch Kriege und Ausbeutung. Eine Mutter gibt Heimat. Bei ihr finde ich einen Ort, wo ich geliebt bin, so wie ich bin. Und das braucht die Welt heute: Annahme, Geliebt-Sein, Heimat.
Was können und sollen wir von Maria lernen?
Bischof Benno: Wir können von ihr vor allem das große Vertrauen lernen und auch das bescheidene Mitgehen mit dem Leben ihres Sohnes. Maria war an den wichtigsten Situationen im Leben Jesu immer mit dabei. „Sie bewahrte alles in ihrem Herzen“ (Lukas 2,19). Dieser Satz berührt mich immer wieder. Wir können von Maria lernen, die großen Geheimnisse der Geschichte Gottes mit der Welt im Herzen zu bewahren und mitzugehen. Daraus ergibt sich auch der Auftrag für die Kirche, an den entscheidenden Orten des Lebens da zu sein. Als Jesus in seinem Sterben von allen verlassen wurde, ist Maria unter dem Kreuz gestanden. Da sein für jene, die in den Schattentälern des Lebens alleingelassen sind, auch das können wir von Maria lernen.
Worin könnte Maria uns Vorbild sein? Anders gefragt: Wie könnte oder sollte ihr Wesen die Kirche Vorarlbergs prägen?
Bischof Benno: Das Zweite Vatikanische Konzil sagt: Maria ist nicht nur eine Mutter für alle Menschen, sondern auch das Urbild der Kirche schlechthin. Maria ist ein Bild für Glaube, Liebe und Einheit (vgl. Lumen gentium 63). Indem sich die Kirche an ihr orientiert, wird sie selber zur Mutter für alle Gläubigen. Ich bin sehr oft an Marienwallfahrtsorten. Wir haben auch in unserer Diözese wunderschöne Orte, die spirituelle Kraftquellen sind. Mit der Erneuerung der Weihe der Diözese an Maria wollen wir auch daran erinnern, dass hier die Urerfahrung Marias gemacht werden kann. Die Erfahrung, als Gott zu ihr sprach: „Du bist voll der Gnade, der Herr ist mit dir.“ (Lukas 1,28)
Wenn man von Maria spricht, kommt man an ihrem Lobgesang auf Gott, dem „Magnificat“ (Lukas 1,46-55), nicht vorbei. Darin spricht Maria von Erniedrigung, vom Sehen, vom Erbarmen und schließlich vom Handeln Gottes. Was heißt das konkret für uns?
Bischof Benno: Das Magnifikat ist ein hochpolitisches Gebet. Zunächst zeigt es, dass Gott handelt. Er ist der Herr der Geschichte. Darauf vertraue ich fest. In allem, was in der Welt und Kirche geschieht, ist das für mich das Grundcredo: Gott ist mit uns, er hat einen Bund mit uns - als Kirche und mit jedem einzelnen Menschen - geschlossen. Wenn ich täglich das Magnificat bete, dann ist „Der Herr hat Großes an mir getan“ ein Satz, der für jeden Menschen gilt. Gott hat uns beschenkt mit Gaben und Begabungen. Ich wünsche uns, dass wir diese Berufung leben und die Talente nicht vergraben oder zum Schaden anderer und der Welt einsetzen. Wir sollen mitbauen an dem, was das Reich Gottes meint: nämlich eine Gemeinschaft des Friedens, des Miteinanders, der Versöhnung, der Gerechtigkeit.
Im Magnificat heißt es auch: „Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben, die Reichen lässt er leer ausgehen.“ Wer sind die Mächtigen, die Erniedrigten, die Hungernden unserer Zeit?
Bischof Benno: Die Mächtigen von heute sind jene, die Geld, Informationen, Daten haben. Damit kann manipuliert werden, damit hat man Einfluss. Deshalb braucht es klare Regeln, wie man sowohl mit materiellen Mitteln als auch mit Information umgeht, so dass stets das Wohl des Menschen im Mittelpunkt steht. Es gibt in unserem Land nicht wenige Menschen, die viel Geld haben. Und es gibt auch viele, die Großartiges tun für das Wohl und den Wohlstand jener, die weniger haben.
Die Hungernden unserer Zeit können wir in allen erkennen, die an den Rand gedrängt werden und nicht dazugehören dürfen. Das sind besonders Menschen, von denen man lieber hätte, dass es sie gar nicht gäbe: ungewollte Kinder, alte Menschen, die scheinbar nichts „bringen“, Asylsuchende, Menschen mit Behinderung. Mit einem Wort: Menschen, die schwach sind und uns ein anderes Gesicht der Gesellschaft zeigen. Man könnte auch sagen, dass es die Einsamen sind. Einsamkeit ist das größte Thema unserer Zeit, meint der Hirnforscher Manfred Spitzer in seinem neuen Buch. Deshalb ist es auch die Aufgabe der Kirche, einsamen Menschen seelische und menschliche Zärtlichkeit entgegenzubringen und ihnen zu sagen: Du gehörst dazu! Du bist wertvoll!
Nimmt man sich mit der Weihe an Maria auch selbst in die Pflicht?
Bischof Benno: Die Weihe an Maria ist kein einmaliges Geschehen. Wenn es wirklich ein Akt des Glaubens ist, dann hat sie Folgen für unser Leben. Die Weihe an Maria sagt aus, dass ich Maria - ihr Leben, ihre Art des Umgangs mit der Welt und ihre Beziehung zu Gott - als Vorbild nehme für meinen persönlichen geistlichen Weg. Und damit drücke ich zugleich die Bitte aus, dass sie auf mich schaut, mich stützt und tröstet, mich ganz persönlich, die Menschen und die Kirche in unserem Land.
Vielen Dank für das Gespräch.
(aus dem KirchenBlatt Nr. 32 / 33 vom 9. / 16. August 2018)