Nachdem 1940 die bischöflichen Räumlichkeiten am Domplatz 4 durch die Nationalsozialisten konfisziert worden waren, konnte Weihbischof Franz Tschann durch das Entgegenkommen von Julius Gassner die bischöfliche Kanzlei in das Haus am Hirschgraben 2 verlegen. Das Anwesen wurde von den Enkeln des Erbauers, den Geschwistern Christine (Kammerlander), Martha (Kohler), Richard und Kurt Gassner mit Vertrag vom 26. September bzw. 7. Oktober 1953 an das Land Vorarlberg verkauft, das die ehemalige Villa Gassner als „Bischofshof“ widmete. Nach einer Vereinbarung aus dem Frühjahr 1963 wurde das Eigentumsrecht auf die Diözese Feldkirch übertragen.
Richard Gassner d. Ä.
wurde am 9. Juni 1841 als zweitältester Sohn des Bürgermeisters Andreas Gassner in Bludenz geboren. Nach den ersten Volksschuljahren und dem Besuch des Untergymnasiums in Feldkirch kam Richard Gassner im Jahre 1858 als Volontär in die Spinnerei Joh. Jac. Rieter nach Winterthur, wo seine weitere Ausbildung von „Erziehungsrath“ Johann Rüegg übernommen wurde. Für zweieinhalb Jahre verblieb Richard Gassner in diesem bekannten Textilbetrieb, wo er sich der praktischen Lehre widmen konnte. Die Ferienmonate benützte er, um die bereits erworbenen Kenntnisse auf die väterlichen Fabrikationsgeschäfte zu übertragen.
1864 verlobte sich Richard Gassner mit der am 29. September 1846 in Nenzing geborenen Maria Getzner, einer Tochter des Fabrikanten Josef Getzner. Trotz seiner festen Verbindung mit Maria Getzner vervollständigte Richard Gassner seine praktische und theoretische Ausbildung und ging für zwei Jahre nach England, wo er die großen und damals richtungsweisenden Fabriksanlagen in Manchester und Mosley kennenlernte. Als ein Fachmann im Baumwollwesen und hervorragender Spinnereitechniker kehrte er in seine Heimat zurück.
Richard Gassner übernahm die Leitung der 1850 bzw. 1855 von Getzner, Mutter & Cie erworbenen ehemals Escher‘schen Spinnereifabrik am Leonhardsplatz in Feldkirch. Im gleichen Jahr heiratete er seine Braut und begründete mit ihr eine eigene Familie. Die Oberleitung der Spinnerei Feldkirch mit den damals immerhin 17.128 Spindeln blieb vorerst in den Händen seines Schwiegervaters Josef Getzner, der nun froh war, von mancher Alltagssorge entlastet zu werden.
Für seine wachsende Familie ließ Richard Gassner d. Ä. im Jahre 1876 eine eigene Villa am Feldkircher Hirschgraben 2 erbauen. In der mitten in der Stadt gelegenen Parkanlage, an die sich - nur von der Fidelisstraße getrennt - bis weit hinauf zum Ardetzenberg ein Obstgarten anschließt, fand die Familie Erholung und Ruhe.
Den Eheleuten Richard und Maria Gassner, geb. Getzner, wurden fünf Kinder geboren. Josef, Richard d. J. und Andre Gassner fanden alle im Unternehmen ihrer Vorfahren eine geeignete Beschäftigung. Der drittgeborene Sohn Julius wurde Priester. Er studierte zuerst Rechtswissenschaften und promovierte im Jahre 1894 in Wien zum „Doctor Juris“. Nach einem anschließenden Theologiestudium feierte Dr. Julius Gassner am 10. April 1902 in der Stadtpfarrkirche Feldkirch sein erstes Hl. Meßopfer. Julius Gassner blieb als „Privatgeistlicher“ in der Montfortstadt tätig und bewohnte bis zu seinem Tod im Jahre 1947 die elterliche Villa am Hirschgraben. Seine 1939 verstorbene Schwester Ida Gassner blieb ebenfalls unverheiratet und ohne direkte Nachkommenschaft.
Richard Gassner, als Fabrikant und für sein im Stillen ausgeübtes soziales Engagement bekannt, wurde ein begeisterter Feldkircher. Über mehrere Jahre wirkte er als Magistratsrat in der Stadtvertretung, auch als treues Mitglied der 1862 von Philipp Schmutzer gegründeten Feldkircher Liedertafel und des Turnvereins wird er angeführt. Manch anderer Verein fand in ihm einen Freund und Gönner.
Das Leben Richard Gassners war auch von schweren Schicksalsschlägen überschattet. Am 5. August 1902 wurde mit dem Brand der Spinnerei am Leonhardsplatz Feldkirch sein berufliches Lebenswerk zerstört. Die Spinnerei brannte bis auf die Grundmauern nieder. Daraufhin beschlossen die Gesellschafter von Getzner, Mutter & Cie, diese Fabrik nicht mehr aufzubauen. Im Jahre 1905 wurde das ehemalige Fabriksareal an die Stadt Feldkirch verkauft. Richard Gassner war damals bereits 64 Jahre alt. Er behielt seinen Wohnsitz weiterhin in Feldkirch und ließ sich nach dem Brand „seiner“ Fabrik fast täglich „ins Geschäft“ nach Bludenz fahren.
Der zweite Schicksalsschlag bedeutete für Richard Gassner d. Ä. der frühe Unfalltod seines gleichnamigen Sohnes Richard, der am 20. Februar 1909, in seinem 40. Lebensjahr, beim Skifahren verunglückte. Diese unfassbare Nachricht beugte den großgewachsenen Mann, dieser tiefe Schmerz nahm ihm die Lebensfreude. Er verstarb im Alter von 68 Jahren am 5. November 1909 und wurde auf dem Feldkircher Friedhof St. Peter und Paul begraben. Maria Gassner, geb. Getzner, überlebte ihren Gatten um fast zwanzig Jahre, doch Schwermut überschattete ihren Lebensabend. Sie verstarb am 26. Mai 1928, ebenfalls in Feldkirch.