„What if God was one of us?“ Dieses Lied aus den 90er-Jahren ist den älter Gewordenen und jung Gebliebenen unter uns vielleicht noch im Ohr. Die Sängerin Joan Osborne fragt darin: Was, wenn Gott ein ganz gewöhnlicher Mensch wäre? Wie würde sein Gesicht aussehen, welchen Namen würde er tragen? Und könnte es sein, dass Gott einfach der Fremde ist, der neben mir im Bus sitzt?
Dieser Song ist zwar nicht Teil der offiziellen weihnachtlichen Hitlisten, die dieser Tage allerorten zu hören sind. Und doch spricht er von nichts anderem. Denn das, wovon dieses Lied handelt, ist zu Weihnachten Wirklichkeit geworden. Gott wird wirklich einer von uns. Mehr noch: Er wird ein Kind – klein und verletzlich, angewiesen auf Schutz und Fürsorge. Wie kann man ernsthaft behaupten, dass ein kleines Kind, in Armut geboren, Gott sei? Und doch ist es von Anfang an ein Herzstück des christlichen Glaubens: Gott begegnet uns nicht als Übermensch, mächtiger König oder intellektueller Großmeister, sondern als ein kleines Kind, das von Anfang an unser Leben und damit unsere Sorgen und Freuden kennt und teilt.
Wenn aber Gott einer von uns ist, heißt das auch, dass wir uns selbst und einander mit neuen Augen sehen müssen. Durch seine Menschwerdung hat Gott unser Leben und damit auch das Leben jedes einzelnen Menschen geadelt. Das gilt für die Bettlerin am Gehsteigrand, den unbequemen Nachbarn, die demenzkranke Verwandte, die immer wieder dieselbe Frage stellt, für Dich und mich. Wer in das Gesicht eines Menschen blickt, hat ein Wesen mit göttlicher Würde vor Augen.
Diese Zusage, dass Gott in unser Leben kommt und einer von uns wird, möge Euch am heurigen Fest der Geburt Jesu Trost und Zuversicht schenken. Von Herzen wünsche ich ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest.
Bischof Benno Elbs